Was, wenn wir glücklich durchkommen?

Beim Spruch „Jeder ist seines Glückes Schmied“ ging irgendwann ein wichtiger Satzteil abhanden, also lautend: „und der Schmied des Glücks der anderen“. Vermutlich lag das an der Kompliziertheit der Formulierung. Diese lässt sich durch Verkürzung und Genitivisierung auch nicht vereinfachen. Denn das Wort Glück existiert nicht im Plural. Aber den Teil einfach wegzulassen – das war alles andere als eine glückliche Idee.

Die Zielsetzung der sozialen Marktwirtschaft ist jedoch im Kern eigentlich genau das: größtmöglicher Wohlstand bei bestmöglicher sozialer Absicherung. Also: das eigene Glück und dabei das der anderen realisieren. Der Staat und alle seine Strukturen, allem voran Bildungseinrichtungen, haben darauf hinzuwirken, dass dies gelingt.

Nun hat es jedoch den Anschein, als sei ein „bestmöglicher Wohlstand bei größtmöglicher sozialer Absicherung“ entstanden. Ein Ergebnis, in dem „best“ von vielen als „nicht mehr gut seiend bzw. schlechter werdend“ wahrgenommen wird und die größtmögliche Absicherung manchen suggeriert, Menschen würden zunehmend „nichts mehr leisten (wollen/müssen)“. Zwei Meinungen, die leicht ins Extrem rutschen können, weil nach Schuldigen gesucht wird.

Wie sind wir dorthin gekommen? Ein wesentlicher Aspekt liegt in der Verschiebung unserer gesellschaftlichen Grundwerte, die durch polarisierende Meinungen verstärkt wird. Während die einen soziale Absicherung als Anreizlosigkeit interpretieren, sehen andere in der zunehmenden Ungleichheit einen Verrat an den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft.

Die soziale Marktwirtschaft war einmal ein Modell, das Solidarität und Eigenverantwortung in Einklang bringen wollte. Heute scheint der Fokus zunehmend auf individuellem Gewinnstreben zu liegen, ein Effekt, der durch Globalisierung und Digitalisierung verstärkt wurde und wird. Diese haben nicht nur Wettbewerb verschärft (und verschärfen ihn bremslos weiter), sondern auch dazu geführt, dass nationale Wirtschaftsmodelle wie die soziale Marktwirtschaft unter Druck geraten. Diese Entwicklungen haben also viele Grundprinzipien der sozialen Marktwirtschaft in Schieflage gebracht. Diese Entwicklung spiegelt sich in der aktuellen politischen und kulturellen Landschaft wider.

Betrachten wir den Aufstieg der „Neuen Rechten“ und die narrative Macht, die sie entfaltet hat.

Bewegungen, die sich auf Polarisierung und Identitätspolitik stützen, schaffen Fronten, wo einst Konsens gesucht wurde. Diese Dynamik wird durch die digitale Medienlandschaft verstärkt, die extreme Positionen belohnt und differenzierte Diskussionen in den Hintergrund drängt. Trumps erste Inauguration war bereits nicht nur ein politisches Ereignis, sondern ein Symbol für diesen Wertewandel: „America First“ – ein Slogan, der Solidarität durch egozentrische Interessen ersetzt. Dabei ist zu bedenken, dass das Modell der sozialen Marktwirtschaft eine einzigartige Errungenschaft in Deutschland ist, die in den USA nie existiert hat. Dort dominiert der freie Markt, oft ohne soziale Abfederung, was im Zuge von Globalisierung und Digitalisierung Einfluss auf andere Systeme wie das deutsche nahm. Trumps zweite Amtszeit steht an.

Ein weiteres Element ist die Rolle von Unternehmerpersönlichkeiten wie Elon Musk, die als moderne „Titanen“ der Wirtschaft gefeiert werden. Musks Projekte, ob im Bereich der Elektromobilität oder der Raumfahrt, zeigen zweifellos Vision und Innovationskraft. Doch sie entziehen sich verstärkt der demokratischen Kontrolle und sozialen Verantwortung. Wenn Musk über „freien Markt“ spricht, meint er oft einen Markt, in dem er sich selbst die Regeln setzen kann. Diese Form des Kapitalismus hat wenig gemein mit den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft, die nicht nur Wettbewerb, sondern auch Chancengleichheit und soziale Sicherung als fundamentale Werte sieht.

Um zur sozialen Marktwirtschaft im ursprünglichen Sinne zurückzufinden, müssen wir eine Neubewertung unserer Prioritäten vornehmen. Was bedeutet Glück in einer Gesellschaft, die scheinbar nur noch materiellen Wohlstand kennt? Die Antwort könnte darin liegen, dass Glück kein Nullsummenspiel ist. Es entsteht dort, wo wir nicht nur unser eigenes, sondern auch das Wohl der Gemeinschaft im Blick haben.

Dafür brauchen wir einen neuen sozialen Vertrag, der technologische Innovation mit sozialer Verantwortung verbindet. Stellen wir uns vor, wie eine Politik aussehen könnte, die titanenhafte Unternehmen nicht nur wirtschaftlichen Erfolg ermöglicht, sondern auch zu ethischem Handeln verpflichtet. Wir müssen nicht den Fortschritt bremsen, aber wir haben ihn im Sinne des Gemeinwohls – und das des Planeten Erde – in Balance zu lenken.

Die Antwort liegt in einem erneuerten Bewusstsein für das, was uns verbindet. Nicht nur des eigenen Glückes Schmied, sondern auch der Schmied des Glücks der anderen zu sein, wäre eigentlich Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft.

Literatur dazu