Auf in den Frieden

Fairantwortung geben.

Kann in Corona-Times gut erlernt werden und bleibt anschließend hoffentlich in den Köpfen. Beschreibt genau das, was Verantwortung tragen eigentlich meint, war bislang jedoch schwer umsetzbar. Andernfalls sähe es auf Erden anders aus.

Fair bedeutet hier, die Auswirkungen dessen im Blick zu behalten, was man tut oder auch nicht tut.

Immer mehr Menschen sollen oder wollen zum Beispiel mehr Selbstverantwortung haben oder tragen. Das ist wunderbar für alle, die sich bislang nicht getraut haben, eine solche für sich zu übernehmen. Oder die gar nicht wussten, dass man überhaupt für sich verantwortlich sein kann oder darf. Manche erarbeiten sich das Selbstverantwortlichsein(dürfen) hart. Weil sie merken, dass sie sich immer mehr verlieren, wenn sie zum Beispiel weiterhin Ja sagen, wo Nein angebracht wäre.

Diese Menschen sind gemeinhin gut darin, Verantwortung für andere zu übernehmen. So haben sie es gelernt. Oder sie hatten gemerkt, dass sie so am ehesten überleben können: Sich stets hinten anstellen, weil andere oder bestimmte Sachverhalte vermeintlich wichtiger seien als sie selbst, und darum bitte die Aufmerksamkeit sofort dort hin- und damit von sich selbst abzulenken sei. Damit die Dinge funktionieren. Muss ich mich eigentlich um alles kümmern, sehen die anderen nicht, dass …?! Nein, manche sehen Vieles nicht, und durch immerfortes Tragen der anderen würde das auch so bleiben.

Dazu kommt, dass den stellvertretend Verantwortungtragenden (im Gegensatz zu den sogenannten Verantwortungsträgern) von anderen immer mal wieder gesagt wird, sie trügen Verantwortung, die ihnen nicht zusteht, oder auch, sie trügen noch immer zu wenig – was die Tragenden auch jeweils glauben und sie noch verantwortungsvoller fürs Außen werden lässt, damit ja nichts schief geht.

Andere tragen sehr gerne Verantwortung für sich selbst: Wo ist das, was mir nutzt, das Ziel, das es zu verfolgen gilt, der Erfolg, der mir gebührt? Das wird hübsch verpackt, mit Titeln, die man sich erwarb, Status-Symbolen, die vom Geschafften künden, und mehr großen als artigen Worten. Auf diese Verpackung schreiben sie, dass sie viel Verantwortung für andere tragen würden, was trügt, da das Gegenteil der Fall ist, denn andere werden schnell fallengelassen, wenn es dem Ziel dient. Dabei sagen sie den anderen, diese müssten mal lernen, mehr Verantwortung für sich übernehmen.

Manche Menschen tragen also weniger für sich, dafür um so mehr Verantwortung fürs Gegenüber. Manche nennen es Selbstverantwortung, wenn sie einfach machen, was ihnen nützt (auch wenn es anderen schadet). Beide „Seiten“ halten einander in einem starken Ungleichgewicht in Schwung: Damit ein paar Leute ohne Rücksicht auf andere(s) machen können, was sie wollen, braucht es sehr viele Menschen, die entsprechend mehr Rücksicht nehmen. Weil der unendliche Sog puren Machertums eine (Dis)balance braucht. Kurz gesagt: 90 Prozent der Leute tragen die Verantwortung dafür, dass 10 Prozent machen, was sie wollen. By the way: Ganz entsprechend der Verteilung des Geldes auf der Welt (beginnt jedoch in den Kinder- und Weltanschauungsstuben).

Zu viel oder zu wenig von etwas ist jedoch auf kurze oder lange Sicht stets ungesund für alle Beteiligten. Dass mehr Selbstverantwortung für alle, die bislang zu wenig davon wagten, und mehr Demut für alle, die großkopfert unterwegs waren, gut für den jeweiligen Energiehaushalt (und den der Erde) ist, spricht sich langsam herum. Dabei fällt immer wieder auf, wie schnell das eine ins jeweilige Gegenteil kippt: Manche schaffen einen solchen Sprung in die Selbstverantwortung, dass sie plötzlich blind und taub für die Folgen beim Gegenüber sind. Die demütig werden Wollenden schaffen noch mehr Großartigkeit für sich – nun zum Beispiel darin, „Meister“ spiritueller Fächer zu werden.

Dabei würde das richtige Maß genügen: Fairantwortung meint, sich selbst und alle anderen so weit wie möglich im Blick zu haben bei dem, was man so tut. Am besten sieben Generationen voraus- und zurückschauend, familiär oder gesellschaftlich, politisch oder wirtschaftlich, also egal bei was.

Fair- bzw. Verantwortung hat außerdem etwas mit Antwort zu tun. Warum eigentlich? Machen wir den Test mit dem Gegenteil. Verfrage. Verfragen meint, Fragen in falsche Richtungen zu stellen. Analog verlaufen. Kann aber auch heißen, Fragen aneinanderzureihen, analog verbinden. Oder gar sich um Kopf und Kragen gefragt zu haben, analog verlieren. Was also meint, dass man etwas ver-antwortet?

Vielleicht, dass man mit dem, was man tut, auf ungestellte Fragen des Gegenübers antwortet, die da lauten: Willst du das wirklich, hast du dir das gut überlegt, die Folgen bedacht? Würde zum Fair passen – und zum Ver ebenfalls. Verantworten im Sinne von mehrere Fragen nach Sinnhaftigkeit fürs Ganze von vornherein in Kopf und Herz haben und entprechend handeln. Die Folgen des Tuns haben letztendlich alle zu tragen. Auch die, die meinen, sie hätten mit etwas nichts zu tun – obwohl sie Verursacher sind.

Im Vorfeld Fairantwortung zu geben, ermöglicht ein Tun, das allen dienlich ist. Der Weg in so ein Tun ist weit. Corona-Times können das Unterwegssein verschnellern, weil Dreh- und Angelpunkt eines allen dienlichen Tuns das richtige Maß ist, und dieses ist besser erkennbar für einen Menschen, wenn dieser aufgerichtet ist. Je aufgerichteter und darum ganzer ein Mensch innerlich ist, desto leichter und energiesparsamer kann er nämlich auf sein angeborenes Gewissen zugreifen.

Innere Aufrichtung meint hier jedoch weniger die Physis als das Wiederganzwerden des Selbst, das durch die ganzen Abspaltungen so viel von sich verloren und darum die vielfältigen Strategien entwickelt hatte, den Verlust zu kompensieren. Sei es durch zu viel Verantwortung für andere tragen, sei es durch verantwortungsloses Auffüllen mit zu viel Besitz und Bedeutsamkeit.

Corona-Times bedeutet, mehr und mehr auf sich selbst gestellt zu sein. Das Virus greift denn auch vielfältig an, nimmt vor allem das, was am selbstverständlichsten scheint: das Atmen. Und kann bei denen, die eine Infektion überstehen, langfristigen Schaden anrichten. Das Einzige, was hilft, sich selbst und andere davor zu bewahren, ist, bei sich zu bleiben und Abstand zu wahren. Das gewohnte Miteinander aufzugeben, durch das man das ungerichtete Selbst gerne auffüllte. Oder auch in einem familiären Miteinander öfter und länger verweilen zu müssen, als man es vorher ertrug und darum so oft wie möglich floh.

Diese Zeiten drehen jedoch nicht alles um. Sondern im Gegenteil: Sie unterstützen den homo incurvatus in se, den „in sich verdrehten Menschen“ dabei, sich in die heilsame Aufrichtung zurückzudrehen und das Selbst zurückzuholen, das da reingehört. Dass bestimmte Menschen auch in diesen Zeiten wieder meinen, dass sie dies gar nicht nötig hätten, weil sie schon richtig wären, gehört zu den gewohnten Erlebnissen auf dem oben erwähnten Weg, der in Richtung innerer Aufrichtung nie anders war, nur langsamer beschreitbar schien.

Bei den Menschen zu verweilen, die nach eigener Ausagen bereits „richtig“ wären, war früher eventuell verlockender, da alle langsamer unterwegs waren und sich eine Pause am Weg bei denen, die „fertig“ tun, so anfühlte, als sei man schon da. Doch auch in Corona-Times gilt: Wer nur darauf aus ist, möglichst schnell und als Erster das richtige Ziel zu erreichen, wird daran vorbei- oder darüber hinauslaufen. Weil es um ein Miteinander geht, ein Verbundensein im Aufgerichtetwerden. Woran zu erkennen ist, dass Du mit Deinem Selbst das Ziel bereits bei Dir hast. Nun noch alles nach Hause holen, was ursächlich zu Dir gehört und dann Dir und den anderen Fairantwortung geben.

Wo kämen wir denn hin, wenn das alle machten? Wir kämen in ein wirkliches „Einer trage des anderen Last“, also raus aus dem 90 Prozent tragen für 10 Prozent. Rein in ein Miteinander, bei dem jeder den anderen solidarisch mit dem unterstützt, was gebraucht wird. Dann trüge aber auch jeder selbst Verantwortung. Für sich, die Seinen, das Gegenüber und das Drumherum. In dieser Reihenfolge, dabei stets zugleich und im richtigen Maß. Dann sähe es auf Erden sehr bald tatsächlich anders aus, und zwar so, wie es vor ca. 2020 Jahren schon mal zugesagt worden ist, dass es möglich sei: Frieden auf Erden.

Diesen Frieden machen Menschen. Oder sie machen ihn nicht. Die Instanz, die der Welt die Unterscheidung von Balance und Disbalance zutraut, ist Frieden. Sich mit dieser Instanz verbindend wieder aufzurichten, bringt geradewegs ins friedliche Miteinander auf Erden hinein, in dem sich faire Antworten fast ganz von selbst ergeben.

Hat da grade jemand gedacht: „Was soll ich denn noch alles machen?“ oder „Ich bin da doch schon längst?“

🙂