Brücke zwischen der arabischen und europäischen Musik

Nuri El Ruheibany – ein Nachruf

Nuri El Ruheibany ist tot. Der deutsch-syrische Komponist und Dirigent starb am 2. März 2023 im Alter von 84 Jahren in Lüchow.

Erst im Januar 2023 war er als Leiter des Perkussionsensembles „Tamburo Temperamento“ in den Ruhestand verabschiedet worden. Im Oktober 2022 hatten die Kinderchöre Dörnigheim und Hochstadt ein drittes Mal TABOE aufgeführt, dessen 14 Lieder aus aller Welt Nuri El Ruheibany für ein Ensemble, bestehend aus Klavier, Geige, Kontrabass und Schlagwerk, arrangiert hatte. Für die Veranstaltung war Nuri wie bereits zur Uraufführung im Jahr 2018 aus dem Wendland nach Maintal gekommen.

Kulturkreise verbinden

Nuri El Ruheibany lernte ich das erste Mal im Herbst 2017 telefonisch kennen. Damals war ich auf der Suche nach einem Komponisten für TABOE gewesen. Dieses Stück verbindet 14 Lieder aus aller Welt zu einer Geschichte über einen Teddybären, der durch die Gewalt und die Wirren der Welt in seine Einzelteile zerfallen ist. Kinder versuchen durchs Singen der Lieder, ihn wieder ganz zu machen, was ihnen auch gelingt. Meine Idee war, für das Arrangement der traditionellen Lieder aus verschiedensten Kulturkreisen einen Komponisten zu finden, vielleicht aus Syrien, der die unterschiedlichen Atmosphären einzufangen verstünde und diese dennoch zu einem musikalischen Ganzen verbinden könnte.

Nuri El Ruheibany im Oktober 2022 in Maintal-Dörnigheim

Von Der Mond ist aufgegangen bis zu Carmina Burana

Bei meiner Internetrecherche zu „Komponist“ und „Syrien“ fand ich sehr schnell Nuri El Ruheibany. Das erste Video, in das ich reinschaute, war „Carmina Burana“, aufgeführt von Nuri im Opernhaus in Damaskus im Frühling 2015:

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Als zweites fand ich „Arabische Symphonische Tänze“, aufgeführt am 27. November 2011 mit dem Syrian National Symphonic Orchestra:

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Als ich dann auf Nuris Improvisationen zu „Der Mond ist aufgegangen“ gestoßen war, mit dem Staatlichen Symphonieorchester Kaliningrad, hochgeladen am 30.6.2015, …

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… stand für mich fest: Das ist der Komponist. Ich suchte, wo er zu finden sei, denn eine Homepage von ihm gab es nicht. Zum Glück bargen Texte über ihn genügend Informationen, sodass ich ihn anrufen konnte. Wir verstanden uns auf Anhieb, und weil die Welt eine Erbse ist, stellte sich sehr bald heraus, dass Nuri langjähriger Klavierlehrer einer Familie gewesen war, mit denen wiederum meine Eltern in engem Kontakt stehen.

Zwei Nuris in Maintal

Für die Aufführungen des Evangelischen Kinderchors Maintal-Dörnigheim im Sommer 2018 im EGZ der Evangelischen Kirchengemeinde Dörnigheim kam Nuri nach Maintal. Bewegend war das Zusammentreffen mit Tarek Zakharia, dem Perkussionisten, den ich über den Frankfurter Verein Bridge gefunden hatte. Ich erinnere mich auch gerne daran, wie ein Kinderchormädchen dem Komponisten erzählte, dass sein zweiter Vorname ebenfalls Nuri sei. Auch bei der Aufführung im Herbst 2022 mit den Evangelischen Kinderchören Dörnigheim und Hochstadt, wieder im EGZ, war Nuri dabei, diesmal mit seiner Tochter, der Perkussionisstin Mariam El-Ruheibany.

Nuri El Ruheibany, 2018

Ständiger Gastdirigent in Damaskus

Der am 13. Januar 1939 in Damaskus geborene deutsch-syrische Musiker Nuri El Ruheibany studierte Klavier und Komposition an der Hochschule für Musik in Leipzig 1968. 1972 absolvierte er ein Dirigentenstudium in Dresden. Es folgte eine mehrjährige Tätigkeit als Dirigent. Er leitete unter anderem die Hallische Philharmonie, das Rundfunk-Sinfonieorcher und Chor Berlin, das Staatstheater Freiberg, das Opernhaus Leipzig, die Reichenbacher Philharmonie (drei Jahre als erster Kapellmeister), die Staatskapelle St. Petersburg, die Kaliningrader Philharmonie, die Lüneburger Symphoniker und die Magdeburger Philharmonie. Schließlich war er beim Syrischen Nationalsymphonieorchester seit seiner Gründung in Damaskus ständiger Gastdirigent, auch mit eigenen Kompositionen.

Geschichte der ersten Christen in Syrien vertont

El Ruheibanys Musik bildet oft eine Brücke zwischen der arabischen und europäischen Musik. Er schuf zahlreiche Werke für Klavier, Percussion, Kammermusik, Chor und Orchester. Unter dem Eindruck der jahrelangen Zerstörung seiner ersten Heimat Syrien komponierte Nuri El Ruheibany das Oratorium „Die Toten Städte“ und machte damit die Geschichte der ersten Christen in Syrien lebendig. Die Welturaufführung fand am 6.Mai 2017 im Verdo in Hitzacker statt. Im Jahre 1987 wurde die Mittelmeerolympiade in Latakia/Syrien mit seiner sinfonischen Dichtung „Der Seemann und der Sturm“ eröffnet.

TABOE – Uraufführung 2018 in Maintal-Dörnigheim

Musikschule in Lüchow gegründert

1980 gründete El Ruheibany an der Musikschule Lüchow-Dannenberg das Percussion- Ensemble „Tamburo Temperamento“, das zum musikalischen Aushängeschild des Landkreiseses wurde. Viele seiner Schüler errangen beim Wettbewerb „Jugend musiziert“ Preise auf Landes- und Bundesebene. Als Musikpädagoge führte er mit dem Goethe-Institut in zahlreichen Workshops eine neue Methode für musikalische Ausbildung durch Schlaginstrumente in den Ländern Syrien, Libanon, Jordanien und den palästinensischen Autonomiegebieten ein. Im Jahr 2000 nahm der Chor Clangfarben (Wendland) El Ruheibanys Lied „Peace Song 2000“ auf, der damit in Israel den ersten Preis gewann, bei einer Ausschreibung für einen Chor von Jugendlichen aus Palästina und Israel. Das Lied wurde daraufhin mit diesen Jugendlichen bei der Expo in Hannover mehrmals aufgeführt.

Nach der Uraufführung 2018

Interkulturelle Konzerte

Für seine Verdienste als Musiker, Komponist und Pädagoge erhielt Nuri El Ruheibany 2001 das Bundesverdienstkreuz am Bande. 2016 beteiligte sich der Lüchower Komponist an einem Benefizkonzert für Ärzte ohne Grenzen. Als Musikpädagoge war El Ruheibany jahrzehntelang Mitglied und Gastdozent der IGMF (Internationale Gesellschaft für Musikpädagogische Fortbildung) in Deutschland und der „Orffschulwerk Gesellschaft“ in Salzburg. Ein bewegendes Konzert fand Anfang Oktober 2015 im Wendland statt: Die Lüneburger Symphoniker spielten gemeinsam mit syrischen Musikern ((https://www.youtube.com/watch?v=D0eq33Xke0c)).

Zim zim zim, twinkle twinkle

Nachfolgend ein kurzer Ausschnitt aus TABOE: „Zim zim zim“ aus Kurdistan und „Twinkle Twinkle little Star“ aus England bzw. den USA – in ein Lied verwoben, siehe auch https://usplive.de/film-taboe/:

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Danke, Nuri, für Deine menschliche und musikalische Nähe, Deine Kooperation und Unkompliziertheit, Deine Kunst. Wir werden Dir ehrendes Andenken bewahren.

Maintal, 6. März 2023

Ulrike Streck-Plath