In rau(h)en Nächten

Nur wenig Mondlicht fällt durch das kleine Fenster und beleuchtet das Innere des Stalls. Dort, in der Nähe der Tiere, ist es warm. Immerwährendes Musizieren erfüllt den Raum: sanftes Schnauben, leises Scharren, raschelndes Stroh.

Bäuerin, Bauer heben eine kleine Schale empor, in der Räucherwerk glimmt. Ein zartgraues Wölkchen steigt auf feiner Säule empor ins Gebälk. Mit leichter Handbewegung verteilt Bäuerin, verteilt Bauer den Rauch in die Richtungen des Himmels.

Zeichen der Verbundenheit

Zwölf Rauhnächte sind nun. Gefährlich gilt diese Zeit manchen, viel Seltsamglaube rankt sich um sie. Neue Rechtschreibung entnahm ihr das h, das Zeichen, das auf den Brauch des Räucherns verweist.

Rauch aufsteigen lassen. Uraltes Zeichen der Verbundenheit von Mensch und Himmel. Zieht Grauenhaftes nach sich, so ein Mensch dem anderen die vertikale Verbindung todbringend neidet, statt sich um die eigene Ausrichtung zu kümmern.

In Geborgenheit hüllen

Im Stall bringen die Menschen die Räuchersäule bewusst von der Senkrechten auch in die Waagerechte. Nur beides zusammen und alles dazwischen entspricht dem zu schützenden Ganzum, das in diesen Nächten sichtbar in Geborgensein gehüllt wird.

Nicht ist die Rede von stetig wabernden Räucherstäbchen. Zum heilsamen Haben und Sein zwischen Himmel und Erde gehört auch umleuchtende Klarheit. Als wesentliches Weihnachtsgeschehen ist diese bekannt, wird nur schnell wieder vergessen im Alltag.

Stille Tiefe des Daseins

Manche sagen: Rauhnächte klänge zu diffus, zu wenig greifbar. Nötig wäre Konkretes, Messbares. Andere sagen: Rauhnächte wären eine besondere Zeit, das Wetter des kommenden Jahres ließe sich in ihnen ablesen.

Die einen messen also etwas, von dem andere sagen, dass es sich so nicht messen ließe. Die einen fühlen sich gut aufgehoben in dieser Zeit, während andere die stille Tiefe des Daseins zwischen den Jahren erschreckt.

Ganz, geliebt

Wie einander die Hand reichen? Gar nicht in Coronazeiten. Doch vielleicht die Welt des anderen, seine Ängste und Sorgen ein Stück weit verstehen. Dafür aus dem zuckenden Glimmen der Herzen vertikal in Frieden bringen, was betrübt und entzweit.

In umleuchtender Klarheit miteinander leben gelingt, wo Menschen einander ansehen, wie sie gemeint sind: Ganz, geliebt. Geben wir also acht auf den Rauch, den wir verbreiten – beim Räuchern in den Rauhnächten und dann, wenn sich dieser verzogen hat.

Klarheit verbreitend

Du möchtest Dein Haus oder Deine Wohnung jetzt in den Rauhnächten räuchern, hast jedoch kein Räucherwerk, möchtest auch niemanden danach fragen oder hast andere Gründe, aber doch den Wunsch, eine Sehnsucht danach – oder Angst davor, das zu tun?

Dann wage Krasseres, zugleich Einfacheres: Entzünde eine Kerze. Ihr Licht erstrahlt und verbreitet sich wie Rauch, ohne dass Du mit den Händen eine Richtung vorgeben müsstest. Dann ist es außerdem zugleich hell und klar, ohne dass sich vorher etwas verziehen müsste.

Zeit im Gepäck

Doch Du, mit der Kerze in der Hand, kannst dann verzeihen. Dir selbst und anderen das, was sich dunkel aufs Sein gelegt hat. Aus dem letzten Winkel wird all dies verschwinden, was nur einmal noch gesehen werden wollte.

Das neue Jahr freut sich auf Dich. Schon immer ist es unterwegs zu Dir, die Zeit im Gepäck. Geh ihm entgegen mit Deiner Kerze und leuchte. Die Kerze zeigt Dir auch, wie Du gemeint bist: Ein Leuchten in den rauhen Nächten der Welt.