Eine Stunde konzentriert an einer Arbeit dranbleiben. Wer das schafft, ist ein Held. Überhaupt: Im Fokus bleiben. Wer das tut, ist erfolgreich. So glaubt unsere Gesellschaft und hat viele Sachverhalte darauf ausgerichtet, vom Schulunterricht bis zum 9-to-5-Job.
Corona crasht das glücklicherweise gerade alles. Denn langfristig und immer nur geradeaus im Fokus zu bleiben, ist ungesund. Die Erfahrung zeigt, dass uns ein Mittelding zwischen Fokus und Blickschweifenlassen in der Spur hält.
Was, bitte, ist ein Mittelding zwischen Fokus und Blickschweifenlassen? Dazu ein Rekurs in archaische Zeiten, hin zum Kreis und zum Kreuz – und zwar zu der Art Kreuz, das perfekt in einen Kreis passt (wie zum Beispiel beim Weihekreuz). Dieses hat vier gleich lange Linien.
Der Kreis ist ein uraltes Symbol für Sonne, Mond, Kreisläufe. Das Kreuz symbolisiert Mensch und Leben. Das Taw, der letzte Buchstabe des hebräischen Alphabetes, entspricht diesem Symbol und nimmt dessen lebensbejahende Bedeutung auf.
Um Menschen an ein Kreuz nageln und dieses Kreuz in die Erde rammen zu können, musste die Mittellinie nach unten verlängert werden. Ein Mensch muss da dranpassen, mit seinen Beinen. Das Kreuz, das wir kennen, pervertiert also das eigentliche Symbol.
Das Kreuz mit der längeren Linie nach unten entspricht außerdem einem Schwert. Das steckt zum Beispiel eisenfest in der Erde, um von „Helden“ herausgezogen zu werden. Menschen wurden und werden mit Schwertern, verlängerten Kreuzen, zu Tode gebracht.
Nach oben hin wird das verlängerte Kreuz zum Pfeil. Wieder ein Fokus, ein Erfolgs- und Wachstumsanzeiger. Stetig soll dieser in die Höhe ragen. Die Welt reagiert panisch bei Schwankungen. Kreisläufe sind nicht vorgesehen.
Auch Tische wurden erfunden mit pfeilspitzengleichen Stirnseiten, dem Chefplatz, von wo aus sich über den Tisch als Schwert blicken lässt. Entscheidungen treffen, einsam, gilt noch immer als erstrebenswert. Gesund ist das nicht, und auch Konsens ist oftmals vorgespurt.
Wird Zeit, dass Kreis und Kreuz wieder zusammenkommen. Der Pfeil als innerer Kompass, das Schwert als Herzenspflugschar: Miteinander werden Kreis und Pfeil zur Spirale, der neue Perspektiven immanent sind.
Spiralförmig kannst Du in der Ebene unterwegs sein, aber auch in Höhen und Tiefen. Überall kannst Du auf dem Weg bleiben und zugleich andere Richtungen einschlagen. Das hat nichts mit Mäandern zu tun oder damit, unsicher zu sein. Sondern mit Umsicht, Weitsicht, Einsicht.
Spiralförmig im Fokus sein ist eine nachhaltige Art, an Dingen dranzubleiben und zugleich neue Gedanken aufzunehmen. Du willst aber nicht noch eine Kurve drehen? Dann lauf weiträumigere Spiralen, und schon kommt Dir die Strecke gerade vor.