Einendes Menschsein

Mann. Müde vom Kampf, den Kämpfen, dem elenden Unterwegssein auf den Schlachtfeldern der Jahrtausende. Angekommen im Sein, in Geborgenheit, Wärme. Wasser steht bereit, Brot.

Dieses Bild stammt aus dem September 2021. Gemacht wurde es auf den Mainwiesen in Maintal-Dörnigheim. Dort fand from a distance statt, eine Performance zu den Konsequenzen von Gewalt.

Der Augenblick hier, eingefangen zum Ende der Performance, scheint Innenbild menschlichen, kreatürlichen Gemeintseins. Gegenteil dessen, was auf Erden geschieht im Namen Herrschender.

Der Mann, der sich dort ausruht, ermattet schläft, war vorher halb nackt in einem Käfig gewesen. In ziemlichem Abstand daneben hatte die grob gezimmerte Kiste gestanden.

Der Mann hatte geschaut, geschrien. Es war kalt an dem Tag, der Mann fror.

Eine Zuschauerin hielt es nicht lange auf ihrem Platz. Sie ging zu dem Mann und befreite ihn. Sie öffnete die Kiste, fand Kleidung, die Decke, das Brot, einen Krug mit Wasser.

Weitere Menschen kamen, halfen beim Ausbreiten der Decke. Die Menschen setzten sich auf die Decke, hielten den wegen Corona erforderlichen Abstand zueinander.

Der Mann nahm vom Wasser, vom Brot. Die anderen schauten ihm zu. Er aß ihnen vor. Corona hatte das Stückchennehmen vieler von einem Laib Brot unmöglich gemacht.

Trotz der Stille war eine Unruhe zu hören. Die Unruhe des einenden Menschseins, das da ist, aber nicht gewollt wird von Macht.

Die Unruhe, die entsteht, wenn Menschsein sich einen Weg bahnt.

Irgend jemand nahm plötzlich auch von dem Brot. Selbstverständlich. Andere ebenfalls. Die Menschen aßen gemeinsam, saßen dort. Die Unruhe legte sich.

Dann legte sich der Mann zur Ruhe. Die anderen schoben behutsam die Decke um ihn herum wie ein Nest. So schlief er ein.

Kennst Du den hütenden Geruch, das warme Weich gefilzter Wolle?

Das Bild ist eines meiner Lieblingsbilder. Weil es zeigt, dass möglich ist, was Vision scheint. Sobald Menschen tun, was menschlich ist.

Der Mann, der dort schläft, ist angekommen. Nicht mehr leiden, nicht mehr leiden lassen. Darin bleiben, lebendig, schon hier.

Mann: Serkan Gören
Foto: Marzena Seidel